Einfach mal machen!

Die Straße unter meinem Fenster ist bedeckt mit gelbem Laub, es riecht nach Erde und Vergänglichkeit. Auch wenn uns die Sonne noch großzügig ein paar goldene Stunden schenkt, die Tage werden kürzer. Und dennoch: Das Jahr ist noch nicht zu Ende. Zeit also für einen letzten Radsport-Klassiker in 2022.

Hamburg – Berlin

Man kann diese Strecke, die im Prinzip immer nur südöstlich die Elbe runter führt, in knapp unter 300 Kilometern fahren. Also non-stop 10 Stunden oder in Gruppe sogar schneller.
Man muss aber nicht. Die „Standard-Strecke“ ist nämlich dermaßen langweilig und hat auch einige relevante Schwachstellen. Ich kenne kaum einen Landstrich, der weniger Versorgungsmöglichkeiten hat, als eben diese Strecke. Und damit meine ich keineswegs Bio-Supermärkte oder Radläden mit rechtsdrehenden Latexschläuchen. Ich spreche einfach nur von z.B. einer Tankstelle oder der Möglichkeit, etwas Wasser zu kaufen. Weiterhin gibt es eine zwingende Überfahrt per Elbfähre. Ja, das kann schön sein, aber auch zum Engpass werden.

Also habe ich mich dazu entschlossen, die Strecke großzügig zu modifizieren und vom Umfang her etwas zu erweitern, so dass am Ende 400 Kilometer auf der Uhr stünden.
Das sind dann die Abende, wenn ich – meist bewaffnet mit ein bis zwei Weizenbier – moderne „Landkarten wälze“ und Routenoptimierung betreibe. Straßenbelag, Wind, potenzielle Versorgungsengpässe, mögliche Exit-Strategien, … Das Thema Routenplanung bei Langstrecken ist echt komplex (im Herbst besonders). Ein bisschen schön sein soll es ja auch. Aber nochmal zurück zur Strecke.

Über Mölln und Zarrentin am Schaalsee geht es nach Ludwigslust (leider alles im Dunkeln) und Parchim. Plau am See lasse ich links liegen und fahre nördlich über Malchow nach Waren an der Müritz. Spätestens hier merkt der aufmerksame Leser, dass ich deutlich die Ideallinie entlang der Elbe verlassen habe. Ja, genau das ist gewollt. Denn es folgt ein Landstrich, den ich wissentlich noch nicht befahren habe. Den Müritz Nationalpark. Ich bin echt gespannt auf diese Gegend. Viel Grün, viel Wasser, viel Schotter. Wir werden sehen. 🙂 70 Kilometer später sollte ich in Fürstenberg/Havel sein. Dann geht es eigentlich nur noch nach Süden und direkt nach Berlin. Ja, es kann sein, dass dieser letzte lange Abschnitt quasi am Arsch der Heide ist. Das werde ich dann aber auch noch überstehen.

Strategie und zeitliche Planung:
Den Start habe ich nach langem Überlegen auf Freitag, 2:45 Uhr morgens gelegt. Heißt konkret, ich fahre die ersten vier Stunden (ca. 120km) komplett im Dunkeln. Das ist hart, aber ein guter Kompromiss. Für die schweren Abschnitte hab ich dann relativ viele Tagstunden mit Licht und Puffer für „Eventualitäten“. Und weiterhin: Ich spare die Überfahrt mit der Fähre in Lenzen, ich habe mehr Versorgung und fahre direkt von Norden nach Berlin Pankow rein – und muss nicht erst durch die ganze Stadt. Das Brandenburger gab es ja beim letzten mal.
Also für die reine Fahrzeit kalkuliere ich 14 Std. á 29km/h. Plus 1,5 Std. Pausenzeiten. Dann wäre ich um 18:15 Uhr da. Duschen, umziehen, einmal tief durchatmen.
Der Tisch beim Italiener ist für 19 Uhr reserviert. 🙂

Sicherheit:
Mitte Oktober alleine mit dem Rad nach Berlin, das ist nicht ungefährlich. Aber ich habe schon einige ähnliche Touren gemacht und versuche immer besser zu werden, was dieses Kapitel anbetrifft.
Ich starte ja mitten in der Nacht. Also habe ich vorne zwei starke ausdauernde Lampen (mit Fernlicht), hinten ebenfalls – eins davon mit der beliebten Radar-Funktion. Ich habe natürlich auch eine Powerbank dabei, mit der ich Computer, Licht und notfalls auch das Handy laden könnte. Und seit der Deutschlandtour im letzten Jahr fahre ich mit einem autarken GPS-Tracker. Also ein Gerät, das permanent meinen Standort teilt. Der Inner Circle sieht also immer, wo ich gerade bin. Ein Menge Technik, die viele Stunden am Laufen gehalten werden muss – im schlimmsten Fall auch bei Dauerregen.

Apropos.. die neongelbe Gore-Windstopper-Weste und die passende Überschuhe dürfen natürlich nicht fehlen. Und zwei paar Handschuhe für den Start.

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