Krieg

Seit vier Tagen redet niemand mehr über Corona. Seit vier Tagen redet alles und jeder über einen militärischen Konflikt. Nicht irgendwo auf der anderen Seite der Welt, sondern in der Ukraine, also gerade mal tausend Kilometer entfernt.

KRIEG. Ich glaube, dieses Wort hab ich zuletzt in meiner Verweigerung 1994 benutzt. 11 Seiten handschriftlich dargelegte persönliche Beweggründe für meine Gewissensentscheidung, niemals eine Waffe gegen einen anderen richten zu können.

Wir waren angehende Abiturienten und hatten von Politik keinen wirklichen Schimmer. Aber wir hatten spätestens durch den Geschichtsunterricht verstanden, dass Deutschland schon mindestens zweimal richtig Scheiße gebaut hatte. Wir kannten die Bilder aus den Konzentrationslagern und von ausgebombten Städten. Wir kannten auch die Erzählungen unserer Großeltern, Onkel und Tanten, die die Konsequenzen (er-)tragen mussten. Geblieben ist ein verkrüppeltes Selbstbewusstsein, zumindest was meine eigene Nationalität anbetrifft.

Naja und irgendwie hatte es ja auch noch den Kalten Krieg gegeben. Etwas völlig Abstruses und auch Abstraktes, denn eigentlich (zum Glück!) passierte nix. Analog dazu spielten wir War Games auf dem C64 und versuchten die Russen zu in einem thermonuklearen Krieg zu vernichten. Was das genau zu bedeuten hatte, wussten wir nicht.

Wir spielten War Games auf dem C64

Dann kam das Schengener Abkommen und etwas später fiel die Mauer. Um uns herum wurde alles easy. Das lag einerseits daran, dass wir langsam aber sicher die Schule hinter uns ließen und andererseits, dass wir plötzlich sehr leicht durch Europa reisen konnten. Keine bewaffneten Zöllner an den Landesgrenzen, ein Berlin, keine DDR – puuh. Es war eine ziemlich coole Freiheit, an die wir alle uns ziemlich schnell gewöhnt haben. In den letzten Jahren unseres Turbo-Kapitalismus-Mindsets waren Wochenendtrips in europäische Metropolen daher absolut normal. Schlafen in den Betten wildfremder Menschen, kein Problem. Alle sind mit allen vernetzt und haben sich lieb. Natürlich gab es auf der Welt noch immer Kriege, aber die waren alle weit weit weg. Und vorhin dann diese Schlagzeile:

Putin versetzt Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft.

Ich musste kurz innehalten und nochmal lesen. Dann waren sie wieder da: Die Bilder aus US-amerikanischen Filmen, die Bilder aus unseren Computerspielen Mitte der 80er. Raketen, Generäle mit großen Telefonhörern und rote Knöpfe. Es folgen Countdowns und helle Blitze. Atompilze am Himmel und danach nichts mehr.

Manchmal frage ich mich, was zuerst da war. Die Realität oder die Vorstellung dieser. Für heute klappe ich zu und hoffe, dass diese Scheiße bald ein Ende finden wird.

STAY STRONG! 🇺🇦

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